KJSG - FAQ

Junge Volljährige/Careleaver

Kriterien für die Leistungsgewährung (§ 41 Abs. 1 SGB VIII)

Ist es darüber hinaus für die Hilfe für junge Volljährige nach der Neufassung des § 41 SGB VIII ausschlaggebend, ob die Verselbstständigung mit der Hilfe erreicht werden kann, wie dies teilweise bisher verlangt wurde?

 

§ 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. […]

 

Nach der neuen Fassung des § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII ist die Hilfe für junge Volljährige zu gewähren, wenn und solange die Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbstständige Lebensführung nicht gewährleistet. Damit ändert sich der Prüfungsmaßstab für die Gewährung der Leistung nach § 41 Abs. 1 SGB VIII grundlegend: Während bislang zu prüfen war, ob (weitere) Hilfen für junge Volljährige die Entwicklung zur eigenständigen Persönlichkeit jedenfalls fördern, hat das Jugendamt nun zu prüfen, ob die Beendigung der Hilfe die weitere Persönlichkeitsentwicklung des jungen Menschen gefährden wird, ob also negative Folgen für seine Entwicklung zu erwarten sind (sog. „Gefährdungsbeurteilung“). Hierbei hat es sowohl die (weitere) Sicherung des Lebensunterhalts, die Wohnungssituation, die bisherige und zukünftige Ausbildung und die psychosoziale Situation in den Blick zu nehmen und bei bestehenden Ungewissheiten die Hilfe(n) stets weiter zu gewähren. Denn führten Ungewissheiten über die künftige Entwicklung bisher idR zur Beendigung der Hilfen, stehen nach der Neufassung des § 41 SGB VIII Zweifel in der Prognose einer Beendigung gerade entgegen. Sowohl die veränderte Formulierung des § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII als auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/26107, 94) stellen klar, dass bei der Entscheidung über die Hilfegewährung nach § 41 Abs. 1 S. 1 SGB VIII ausdrücklich keine Prognose dahingehend verlangt wird, dass die Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs oder bis zu einem begrenzten Zeitraum darüber hinaus erreicht werden muss. Der Anwendungsbereich des § 41 SGB VIII ist somit eindeutiger als bisher zukünftig auch für junge Menschen mit Behinderung eröffnet, denen eine Leistungsgewährung bislang teilweise mit dem Argument verweigert wurde, dass das Ziel der Verselbstständigung prognostisch nicht erreicht werden kann.

§ 41 Abs. 1 SGB VIII
(1) […] Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. […]

 

Nach § 41 Abs. 1 SGB VIII haben junge Volljährige bis zum Erreichen des 21. Lebensjahrs einen Anspruch auf Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung und Verselbstständigung, soweit dieser Prozess nach Einschätzung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach den individuellen Umständen im konkreten Einzelfall gefährdet ist. Der Gesetzgeber geht dabei (wie bisher) davon aus, dass ein entsprechender Hilfebedarf in aller Regel bis zum erreichten 21. Lebensjahr bestehen kann (aber nicht muss); dies gilt unabhängig davon, ob Hilfeleistungen nach den Vorschriften anderer Leistungssysteme im konkreten Fall beansprucht werden können. Insofern knüpft der Tatbestand des § 41 SGB VIII gerade nicht an das (Nicht-)Bestehen konkurrierender Leistungsansprüche an. Vielmehr setzen die für das Verhältnis von Jugendhilfe nach SGB VIII zu anderen Sozialleistungen maßgeblichen Vorrang-Nachrang-Regelungen insbesondere gem. § 10 SGB VIII das Bestehen eines Anspruchs nach § 41 SGB VIII voraus.
Dies gilt auch für Fortsetzung der Hilfe für junge Volljährige über die Regelaltersgrenze des 21. Lebensjahrs hinaus. Nach Intention des Gesetzgebers soll diese im näher begründeten Einzelfall weiterhin unter engeren Voraussetzungen – nur für „einen begrenzten Zeitraum“ – geleistet werden (s. § 41 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 SGB VIII). Auch dieser „begrenzte Zeitraum“ ist weiterhin „prognostisch“ unter Berücksichtigung individueller Entwicklung, jedoch nicht abstrakt anhand eines erreichten Alters zu bestimmen (vgl. BT-Drs. 19/26107, 94). Dabei ist mangels sonstiger geeigneter Kriterien regelmäßig an die individuelle Lebenssituation und anvisierte bzw. absolvierte Entwicklungsprozesse oder Lebens- bzw. Ausbildungsabschnitte anzuknüpfen. Aufgrund der auch in § 41 Abs. 1 SGB VIII neu fehlenden Definition dieses „begrenzten Zeitraums“ kann folglich auch bis zum Erreichen des 27. Lebensjahrs Hilfe für junge Volljährige zu leisten sein.

§ 41 Abs. 1 S. 3 SGB VIII
(1) […] Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.“

 

Mit der Regelung des § 41 Abs. 1 S. 3 SGB VIII wird klargestellt, dass eine Hilfe für junge Volljährige auch nach ihrer Beendigung wieder fortgeführt oder ggf. in anderer Form erneut gewährt werden kann, wenn ein entsprechender Bedarf dies aufseiten des jungen Menschen erfordert (sog. Coming-Back-Option). Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den Bedarf ist derselbe wie bei einer ersten Gewährung der Hilfe (vgl. hierzu FAQ zum Grad der Verselbstständigung). Entweder kann die Hilfe in der Form, in der sie bislang gewährt wurde, auch nach der zunächst erfolgten Beendigung weitergeführt (= fortgesetzt) werden, sollte sich ergeben, dass die weitere Entwicklung des jungen Menschen ansonsten gefährdet ist. Ergibt sich, dass der junge Mensch zwar Unterstützung benötigt, jedoch die bis zur ihrer Beendigung erfolgte Hilfe nicht mehr geeignet ist, kann auch alternativ eine andere Hilfeform gewährt werden (= erneute Gewährung).

Übergangsplanung (§ 41 Abs. 3 SGB VIII iVm § 36b Abs. 1 SGB VIII)

§ 41 Abs. 3 SGB VIII
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

 

Die Frage des Übergangs in andere Leistungssysteme kann verschiedene Konstellationen betreffen. § 41 Abs. 3 SGB VIII regelt nunmehr ausdrücklich den Fall, dass die Voraussetzungen der Hilfe für junge Volljährige nicht (mehr) vorliegen und deshalb zur Sicherung der Hilfekontinuität ein verpflichtendes „Übergangsmanagement“ nach Maßgabe des § 36b Abs. 1 SGB VIII unter Verantwortung des Jugendhilfeträgers und der für Anschlusshilfen in Betracht kommenden Sozialleistungsträger zum Tragen kommt. Für den möglichen Übergang in die Eingliederungshilfe gilt darüber hinaus die Sonderregelung gem. § 36b Abs. 2 SGB VIII.

Nichts anderes gilt für den Fall, dass junge Volljährige Eingliederungshilfe nach §§ 41, 35a SGB VIII (insb. als Fortsetzungshilfe) erhalten und ebenfalls Anschlussleistungen für Erwachsene nach §§ 99 SGB IX in Betracht kommen. Maßgeblich ist auch hier, wann nach der einschlägigen materiell-rechtlichen Prüfung die Leistungsvoraussetzungen nach § 41 SGB VIII iVm § 35a SGB VIII nicht (mehr) vorliegen.

Insbesondere wenn dauerhafte Teilhabebeeinträchtigungen – auch im Erwachsenenleben – vorliegen werden, kann die formale Anknüpfung an den „begrenzten Zeitraum“ als Voraussetzung der Fortsetzungshilfe über das 21. Lebensjahr (vgl. § 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII) sich als nicht sinnvoll erweisen. Da weder das Erreichen festgelegter Altersgrenzen den individuell bestehenden Teilhabebedarf entfallen lässt noch bei unveränderten Beeinträchtigungen an einen begrenzten Zeitraum der Hilfegewährung angeknüpft werden kann, muss sich auch der Zuständigkeitsübergang in die Eingliederungshilfe für Erwachsene am Erreichen individueller Entwicklungsmarken orientieren, um Hilfeabbrüche zur Unzeit zu vermeiden. Typischerweise wird mit Absolvierung einer Ausbildung oder Verlassen einer Einrichtung eine Kontinuitätsaspekten genügende Hilfezäsur erreicht.

Nicht genau geklärt ist in diesem Zusammenhang, wie mit den (zwingenden) Verfahrensvorschriften nach §§ 9–24 SGB IX – insbesondere der Frist zur rehabilitationsverfahrensrechtlichen Zuständigkeitsklärung nach § 14 Abs. 1 SGB IX – umzugehen ist. Die mit dem KJSG eingeführte, verbindlichere Übergangsplanung nach § 41 Abs. 3 SGB VIII iVm § 36b SGB VIII verweist insofern auf eine entsprechende Anwendung der Teilhabeplanung nach §§ 19, 20 SGB IX, geht im Übrigen aber auf das Verhältnis zur unmittelbaren Anwendung der Verfahrensvorschriften nicht ein.

Nach dem oben dargelegten Verständnis, das sich für den Zuständigkeitsübergang und damit auch den Wechsel zu anderen materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen für die benötigten Leistungen an geeigneten individuellen Entwicklungsmarken orientiert, dürfte jedenfalls dann die Frist zur Zuständigkeitsklärung ausgelöst werden, wenn Leistungen aus dem neuen Leistungssystem beantragt werden. Für die Jugendämter bedeutet dies, dass aufgrund der mit dem Ablauf der knappen Frist verbundenen dauerhaften, dh ggf. sogar bis über das 27. Lebensjahr hinaus anhaltenden Zuständigkeitszuweisung, in diesen Fällen die fristauslösenden Sachverhalte besonders im Blick gehalten werden müssen. Ausführlich zur Frage, wann ein „Antrag“ auf „Leistungen zur Teilhabe“ bei einem „Rehabilitationsträger iSd §§ 14 ff. SGB IX vorliegt: DIJuF/Seltmann Themengutachten, Stand: 7/2020, TG-1259 Frage 1.1., abrufbar unter www.kijup-online.de)

Nachbetreuung (§ 41a SGB VIII)

§ 41a SGB VIII
(1) Junge Volljährige werden innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung im notwendigen Umfang und in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form beraten und unterstützt.
(2) Der angemessene Zeitraum sowie der notwendige Umfang der Beratung und Unterstützung nach Beendigung der Hilfe sollen in dem Hilfeplan nach § 36 Absatz 2 Satz 2, der die Beendigung der Hilfe nach § 41 feststellt, dokumentiert und regelmäßig überprüft werden. Hierzu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe in regelmäßigen Abständen Kontakt zu dem jungen Volljährigen aufnehmen.

 

Die in § 41a SGB VIII geregelte Nachbetreuung ist als Rechtsanspruch der jungen Menschen ausgestaltet. Denn mit der Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, den Nachbetreuungsanspruch gegenüber den jungen Volljährigen sicherzustellen, korreliert ein Anspruch der jungen Menschen, der sodann auch gerichtlich geltend gemacht werden kann. Dieser beinhaltet die Unterstützung und Beratung der jungen Menschen in einem angemessenen Zeitraum nach Beendigung der bisherigen Hilfe. Junge Volljährige sollen dabei in allen praktischen Lebensfragen unterstützt und beraten werden: sei es bei der Wohnungssuche, Schwierigkeiten mit dem Arbeitgeber, Fragen zur Ausbildung, gesundheitlichen Problemen oder auch persönlichen Lebensfragen oder -entscheidungen. Die Art und der Umfang des Nachbetreuungsanspruchs sollen in dem abschließenden Hilfeplan festgelegt und sodann durch regelmäßige Kontaktaufnahme überprüft werden.

§ 41a SGB VIII
(1) Junge Volljährige werden innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung im notwendigen Umfang und in einer für sie verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form beraten und unterstützt.
(2) Der angemessene Zeitraum sowie der notwendige Umfang der Beratung und Unterstützung nach Beendigung der Hilfe sollen in dem Hilfeplan nach § 36 Absatz 2 Satz 2, der die Beendigung der Hilfe nach § 41 feststellt, dokumentiert und regelmäßig überprüft werden. Hierzu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe in regelmäßigen Abständen Kontakt zu dem jungen Volljährigen aufnehmen.

 

Die Aufgabe der Nachbetreuung der jungen Menschen kann als Leistung der Jugendhilfe auf freie Träger übertragen werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 6 SGB VIII; § 3 Abs. 2 SGB VIII). Die Pflicht zur regelmäßigen Kontaktaufnahme zur Überprüfung des Unterstützungsbedarfs kann nach Einschätzung des Instituts jedoch nicht auf freie Träger delegiert werden. Dies ergibt sich zum einen aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, zum anderen ist die Kontaktaufnahme mit dem jungen Menschen nicht Bestandteil der eigentlichen Leistung (Beratung und Unterstützung), die ein freier Träger erbringen darf. Sinn und Zweck der Kontaktaufnahme soll nach dem Willen des Gesetzgebers sein, die Festlegungen, die in dem abschließenden Hilfeplan zum konkreten Umfang der Nachbetreuung getroffen wurden, regelmäßig im Hinblick auf den individuellen Bedarf des jungen Menschen zu überprüfen. Um eine solche Überprüfung zu ermöglichen, verpflichtet § 41a Abs. 2 S. 2 SGB VIII den Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Kontaktaufnahme mit dem jungen Menschen. Dies durch einen freien Träger, der gleichzeitig die Leistung erbringt, überprüfen zu lassen, würde Sinn und Zweck der Vorschrift des § 41a SGB VIII zuwiderlaufen. Vielmehr braucht es in dem Zusammenhang den öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe, der den Bedarf (erneut) überprüft und sodann ggf. auch den Umfang der Nachbetreuung erweitert oder den Bedarf nach einer Rückkehr in die Kinder- und Jugendhilfe (sog. Coming-Back-Option nach § 41 Abs.1 S. 2 SGB VIII) feststellt.

Kostenbeteiligung (§ 94 Abs. 6 SGB VIII)

§ 94 Abs. 6 S. 1 und 2 SGB VIII
(6) Bei vollstationären Leistungen haben junge Menschen und Leistungsberechtigte nach § 19 nach Abzug der in § 93 Absatz 2 genannten Beträge höchstens 25 Prozent ihres Einkommens als Kostenbeitrag einzusetzen. Maßgeblich ist das Einkommen des Monats, in dem die Leistung oder die Maßnahme erbracht wird. […]

 

Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, eine bundeseinheitliche Kostenbeteiligung junger Menschen zu schaffen, könnte die Formulierung „höchstens“ in § 94 Abs. 6 S. 1 SGB VIII so verstanden werden, dass eine Unterschreitung von 25 % – jenseits von den Freibeträgen – nicht mehr vorgesehen wäre.
In Bezug auf privilegierte Tätigkeiten (§ 94 Abs. 6 S. 2 SGB VIII) wollte und hat der Gesetzgeber die Ermessenentscheidung jedenfalls abgeschafft. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass er auch in Bezug auf die Kostenbeteiligung aus „normalem“ Einkommen das Ermessen abschaffen wollte, andernfalls würde die Formulierung von „höchstens 25 Prozent“ keinen Sinn machen. Über die Deckelung auf 25 % des Einkommens hinaus kann also auch ein geringerer Kostenbeitrag gefordert bzw. ggf. sogar ganz auf eine Kostenheranziehung verzichtet werden (vgl. hierzu auch Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter Gemeinsame Empfehlungen zur Kostenbeteiligung nach dem SGB VIII, Stand: 7/2021, Ziff. 8.9, abrufbar unter www.bagljae.de/content/empfehlungen/. Hier heißt es: „Die endgültige Entscheidung, ob der Beitrag reduziert wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Jugendhilfeträgers.“).
Dies entspricht zahlreichen Forderungen in Politik und Fachwelt nach einer gänzlichen Abschaffung der Kostenbeteiligung junger Menschen (vgl. hierzu Materialpool zum KJSG). Im nunmehr vorliegenden Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung findet sich im Hinblick auf die Kostenbeteiligung junger Menschen im Übrigen folgende Vereinbarung: „Heim – und Pflegekinder sollen eigene Einkünfte komplett behalten können.“ Die weitere Entwicklung bleibt daher mit Spannung abzuwarten.

§ 94 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 SGB VIII
(6) […] Folgendes Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit innerhalb eines Monats bleibt für den Kostenbeitrag unberücksichtigt:
[…]
3. Einkommen aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit […]
[…].

 

Eine Definition des Begriffs „ehrenamtliche Tätigkeit“ iSd § 94 Abs. 6 S. 3 Nr. 3 SGB VIII findet sich im Gesetz nicht. Der Begründung des Familienausschusses (BT-Drs.19/28870, 110) ist zu § 94 Abs. 6 SGB VIII ua Folgendes zu entnehmen: „Mit Nummer 3 erhalten ehrenamtlich engagierte junge Menschen die Rechtssicherheit, dass ihr Einkommen bei der Kostenheranziehung vollumfänglich unberücksichtigt bleibt. Bislang hing dies von der Ermessensentscheidung des Jugendamtes im Einzelfall ab.“ Bis zur Gesetzesänderung war nach der hM das Absehen oder eine Reduzierung von der Heranziehung bei Tätigkeiten im FSJ oder aber bei der Ableistung des Bundesfreiwilligendiensts weitestgehend unstreitig. (LPK-SGB VIII/Kunkel/Pattar, 7. Aufl. 2018, SGB VIII § 94 Rn. 25).
Für die Jugendämter bedeutet die Neuregelung, dass nunmehr Einkommen aus einem FSJ stets (ohne Ermessen) unberücksichtigt bleibt (vgl. hierzu auch Gemeinsame Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter mit ergänzenden Hinweisen für Hessen, Stand: 7/2021, www.kostenbeitrag.de; Empfehlungen zur Kostenbeteiligung in der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württemberg, Stand: 7/2021, abrufbar unter www.kvjs.de/jugend/hilfe-zur-erziehung/wirtschaftliche-jugendhilfe/kostenbeteiligung-nach-dem-sgb-viii).
Die mit der Ableistung eines FSJ einhergehende Frage, ob dennoch eine Berücksichtigung von Zuschüssen für Unterkunft und Verpflegung beim FSJ als zweckgleiche Leistung gem. § 93 Abs. 1 S. 3 SGB VIII erfolgen kann, wird vom Institut verneint. Dafür spricht die mit § 94 Abs. 6 SGB VIII verfolgte Intention des Gesetzgebers, soziales Engagement sowie die Verselbstständigung junger Menschen zu unterstützen. Eine Aufspaltung der Zahlungen für die Ableistung eines FSJ würde aus der Sicht des Instituts die Intention des Gesetzgebers, die jungen Menschen bei der Aufnahme einer gemeinnützigen Tätigkeit vollumfänglich von der Kostenbeteiligung zu befreien, konterkarieren.